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Die duale Ausbildung wieder stärken

Neue Zahlen zum Ausbildungsmarkt in der Region sind in den vergangenen Tagen oft kommentiert und interpretiert worden. 300.000 junge Menschen absolvieren derzeit eine Ausbildung in NRW - ein neues „Rekordtief“ seit Beginn der Datenerfassung im Jahre 1976. Alles andere als eine Positivmeldung und auch nichts, was Anlass zur Beschönigung gäbe. Aber dennoch erklärungsbedürftig, zumal immer mehr Unternehmen darüber klagen, dass sie freie Ausbildungsplätze nicht besetzen können.

Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen mit Sitz in Bochum hat eine Ahnung, woran das unter anderem liegen könnte: „Junge Menschen haben oft ein unvollständiges Bild von der dualen Ausbildung. Viele denken, man arbeitet nach der Ausbildung sein Leben lang im gleichen Job. Zusätzlich wird in öffentlichen Debatten suggeriert, dass die Zukunft unseres Landes eher in der Akademisierung der Berufe liegt. Dies ist eine Gemengelage, die, neben anderen Faktoren wie mangelnde Berufsorientierung dazu führt, dass die duale Ausbildung im gewerblich-technischen oder kaufmännischen Bereich ins Hintertreffen zu geraten droht. Die Wahrheit ist: Eine gute duale Ausbildung ist angesichts vielfältiger Qualifizierungsmöglichkeiten für viele erst der Beginn einer beruflichen Karriere – sie es im Wege einer Meister- oder Technikerfortbildung, sei es im Wege eines berufsbegleitenden Teilzeitstudiums an einer Hochschule“.

Rund 7000 offene Ausbildungsstellen meldeten die Arbeitsagenturen in NRW jüngst. Die wahren Größenordnungen dürften noch deutlich höher liegen, da nach wie vor nicht alle Unternehmen ihre freien Ausbildungsplätze den Arbeitsagenturen melden. Häufig genug sind diese Ausbildungsstellen nicht zu besetzen, weil es keine geeigneten Bewerber/innen gibt. „Die Gründe sind vielfältig: Mal sind es Berufsbilder, mit denen die jungen Menschen auf den ersten Blick nichts anfangen können, mal ist die Entfernung von zu Hause zu weit, mal passen die Qualifikationen nicht, mal haben sich junge Leute auf einen bestimmten Beruf versteift, ohne den „Plan B“, also eine Alternativwahl einzuplanen“, sagte Erlhöfer am Mittwoch in Bochum.

"Schüppe drauf legen"
Angesichts der gerade im Ruhrgebiet besonders dramatischen Zahlenrelation zwischen Schulabgängern und freien Ausbildungsstellen appelliert Erlhöfer sowohl an die Unternehmen in der Region als auch an Schulabgänger/innen. Die Unternehmen forderte er auf, „wo immer es möglich ist, noch eine Schüppe drauf zu legen und einen oder mehrere zusätzliche Ausbildungsplätze anzubieten“. Auch, um den eigenen Fachkräftebedarf langfristig zu sichern. „Ausbildung ist natürlich auch mit Kosten für das Unternehmen verbunden. Ausbildung lohnt sich allerdings auch, denn sie sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und damit dessen Wettbewerbsfähigkeit. Ausbildung sei ein Investment, das in Raten durch die spätere Fachkraft zurückgezahlt werde. Gerade kleineren Unternehmen empfiehlt Erlhöfer darüber hinaus, mit den Schulen im eigenen räumlichen Umfeld in Kontakt zu treten und das Unternehmen und dessen Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten den interessierten Schüler/innen vorzustellen.

An die Schüler/innen der Region geht der Appell, sich gründlich über zukunftsfähige Berufe zu informieren, beispielsweise durch das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“, Berufsinformationstage und Internetrecherchen. „Viele Branchen insbesondere der Industrie haben inzwischen sehr gute Webseiten entwickelt mit Videomaterial, mit denen die verschiedenen Berufe vorgestellt werden“. Wichtig sei auch, von vornherein einen Ortswechsel und wohlmöglich auch den nur „zweitbesten Beruf“ in die Planungen einzubeziehen.

"Niemand hat den Stein der Weisen"
„Den Stein der Weisen für die Lösung aller Strukturprobleme auf dem Ausbildungsmarkt speziell im Ruhrgebiet hat niemand. Was bleibt, ist das nachhaltige Bemühen, mehr zu tun, um die Situation zu verbessern. Wir haben leider die Situation, dass mit dem Rückzug der Großindustrie aus unserer Region auch größere Ausbildungswerkstätten geschlossen werden mussten. Diese Kapazitäten lassen sich nicht von heute auf morgen kompensieren. Allerdings können gemeinsame Anstrengungen aller Akteure dazu führen, dass sich die Situation Jahr für Jahr verbessert – vorausgesetzt, wir behalten eine stabile konjunkturelle Situation,“ resümierte Erlhöfer.