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Alles zu "Krankheit im Arbeitsverhältnis"

40 Teilnehmende vor Ort – knapp 60 online zugeschaltet. „Volles Haus“ also beim Seminar „Krankheit im Arbeitsverhältnis“ im Haus der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen, das von Verbandsjurist Martin Beckschulze organisiert wurde. Klaus Griese, Richter am Arbeitsgericht Hamm, referierte zum Thema und beleuchtete verschiedene Themenschwerpunkte mit vielen Beispielen und Urteilen der Arbeitsgerichte in Deutschland. In einer aktuellen Ausgabe NACHGELESEN hier einige der Kernaussagen zu einzelnen Themenkomplexen.

AU-Bescheinigung in Papier?

„Arbeitgeber haben das Recht, trotz Einführung der elektronischen AU bei gesetzlich Versicherten noch immer eine Papierbescheinigung zu verlangen“, sagt Richter Klaus Griese. Dies ist so nicht in der neuen Regelung der eAU aufgeführt, er sieht dennoch weitgehende Rechte der Arbeitgeber. „Im Einzelfall müsste man dies im Arbeitsvertrag oder per Direktionsrecht anordnen“, so Griese weiter. Generell gilt: der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei einer Arbeitsunfähigkeit, die länger als drei Kalendertage dauert, das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer ärztlich feststellen zu lassen und den Arbeitgeber unverzüglich über die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sowie deren Dauer zu informieren. Hierbei hat er den Arzt, dessen Sitz sowie Fachrichtung nur dann anzugeben, wenn es im Arbeitsvertrag mit aufgenommen wurde. Kommt der Arbeitnehmer der Pflicht zur ärztlichen Feststellung und Mitteilung nicht nach, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnfortzahlung zu verweigern. Für Privatversicherte gilt weiterhin die bisherige Regelung zur Papier-AU.

Fake-Ärzte im Internet

Mit Einführung der telefonischen bzw. Online-Krankmeldung werden im Internet (u.a. www.au-schein.de) kostenpflichtige AU-Bescheinigungen angeboten. „Diese Fake-Ärzte im Internet werben mit 100% Akzeptanz-Garantie. Es kursieren mittlerweile vielen ‚bekannte Privatärzte‘, die für diese Plattformen AU-Bescheinigungen ausstellen“, sagt Klaus Griese. „Sobald auf dem AU-Schein „Privatarzt“ steht, sollten Sie skeptisch werden“, führte er fort. Auch die Ärztekammern warnen vor diesen unbekannten Ärzten. Die bekanntesten Namen: Dr. Muneer, Haresh Kumar, Ahmad Abdullah, Masroor Umar und Samuel Zubair. „Diese AU-Bescheinigungen sind unwirksam und Sie sollten keine Entgeltfortzahlung leisten, unter Umständen kommt sogar eine Kündigung in Betracht“, so Klaus Griese.

Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankungen

Ein Arbeitnehmer forderte Entgeltfortzahlung, nachdem er mehrfach über sechs Wochen krank war. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung mit Verweis auf eine mögliche Fortsetzungserkrankung. Der Kläger legte verschiedene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, verweigerte jedoch nähere Angaben zu früheren Erkrankungen aus Datenschutzgründen.

Das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 93/22)  wies die Klage ab und entschied: War ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres bereits mehrfach sechs Wochen krank und erkrankt erneut, kann der Arbeitgeber eine Fortsetzungserkrankung vermuten. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer nachweisen, dass es sich um eine neue Erkrankung handelt. Dazu genügt nicht allein die Vorlage von Diagnoseschlüsseln. Auch die Angabe der Krankenkasse, dass es sich um eine Erstbescheinigung handelt, ist nicht ausreichend. Vielmehr muss er konkret darlegen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestanden und ob sie auf unterschiedlichen Grundleiden beruhten.

Das BAG stellte klar: Arbeitnehmer müssen in solchen Fällen ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Dies sei kein unzulässiger Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, sondern notwendig für eine faire gerichtliche Entscheidung. „Sie kennen Ihre Pappenheimer. Setzen Sie ein Schreiben auf, dass der Arbeitnehmer über sechs Wochen krank war und man davon ausgehe, dass es auf dem gleichen Grundleiden beruht und daher keine Entgeltfortzahlung leisten wird und er bei der Krankenkasse Krankengeld beantragen muss“, so Griese abschließend.

Beweiswert von AU-Bescheinigungen 

Laut Entgeltfortzahlungsgesetz besitzt eine ordnungsgemäß ausgestellte AU grundsätzlich einen hohen Beweiswert. Dieser kann jedoch vom Arbeitgeber erschüttert werden, wenn konkrete Umstände schwerwiegende Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung begründen. Dies entscheid das BAG in einem Fall aus 2019. Ein Arbeitnehmer kündigte am 8. Februar sein Arbeitsverhältnis zum 22. Februar 2019 und reichte eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) für genau diesen Zeitraum ein. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, dass die Krankschreibung den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist abdecke und Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestünden. Das BAG sah den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttert, da die Krankmeldung exakt mit der Kündigungsfrist übereinstimmte und der Arbeitnehmer keine weiteren Beweise für seine Erkrankung vorlegen konnte.Mit diesem Urteil stärkt das BAG die Rechte der Arbeitgeber in Fällen, in denen Krankmeldungen auffällig mit Kündigungen zusammenfallen. Es bedeutet jedoch nicht, dass jede Krankschreibung in einer Kündigungsfrist automatisch unglaubwürdig ist. Vielmehr müssen Arbeitgeber konkrete Indizien für einen Missbrauch darlegen. Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass eine AU nicht unangreifbar ist, wenn sie mit einer Eigenkündigung zeitlich exakt übereinstimmt.